In Krisensituationen fällt es oft schwer, Hilfe von außen anzunehmen.
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In Krisensituationen fällt es oft schwer, Hilfe von außen anzunehmen.

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Zwischen Scham und Hilflosigkeit: Was hilft bei Lebenskrisen?

Wenn Menschen in eine Krise geraten, weil ihnen das Schicksal zusetzt, fällt es oftmals schwer, Hilfe von außen anzunehmen. Aus psychologischer Sicht gibt es Empfehlungen, wie man sich helfen kann – die Ressourcen liegen oftmals in einem selbst.

Anne Koark stand am Abgrund: Infolge der Terror-Anschläge am 11. September 2001 verlor sie erst ihr Start-up, mit dem sie vor allem US-amerikanischen Firmen half, Geschäfte in Deutschland abzuwickeln – und dann die Sicherheit im Privaten. "Bei mir als alleinerziehender Mutter war meine allergrößte Angst, man nimmt mir die Kinder weg, weil ich nicht mehr in der Lage bin, sie vernünftig zu versorgen."

Insolvenz mit Folgen fürs innere Gleichgewicht

Es war ein Prozess, bis sie sich die finanzielle Aussichtslosigkeit ihres Unternehmens eingestehen konnte. Denn: "Wenn sich eine Insolvenz oder eine Schuldensituation anbahnt, kommen immer noch kleine Aufträge rein, und das Gefühl, es könnte noch rettbar sein, ist sehr, sehr lange da." Zumal Anne Koark damals auch mit ihrem Privatvermögen gebürgt hatte. Auf dem Spiel standen also nicht nur die eigene Firma, sondern auch die halb abbezahlte Wohnung, ihre Krankenversicherung, ihre gesamte Existenz – wie sie sie zuvor gekannt hat.

Ein beispielhafter Fall, der es in sich hat, sagt Maren Wiechers. Die psychologische Psychotherapeutin beschäftigt sich mit Menschen, die wie Anne Koark in eine Krise geraten. Da falle es oftmals schwer, auf andere zu vertrauen. "Hilfe anzunehmen kann sich wie ein Kontrollverlust über die eigenen Angelegenheiten anfühlen", erklärt Wiechers. Statt Menschen in einer Krise zu sagen: "Ich bin immer für dich da", sei es hilfreicher, konkret zu fragen: "Was brauchst Du?"

Von der Krise zur Krisenberaterin

Anne Koark hat sich für den Weg nach vorne entschieden: Sie ist mit ihrer Insolvenz an die Öffentlichkeit gegangen, hat ein Buch geschrieben und einen Verein gegründet, der andere in ähnlichen Krisensituationen helfen will. Rückblickend sagt sie: "Ich freue mich über die vielen Sorgen, die ich damals gehabt habe, die aber nicht eingetreten sind." Geholfen habe ihr in der damaligen Lage, sich die vielen existentiellen Fragen, die sie gehabt habe, aufzuschreiben, aber auch wieder durchzustreichen.

Ein Tipp, der psychologisch richtig ist, sagt Psychotherapeutin Wiechers: "Wenn wir Angst haben, tendiert unser Gehirn dazu, an die Zukunft zu denken, an all das, was geschehen könnte. In akuten Krisen verstärkt der Blick nach vorne häufig Gefühle von Angst und Überforderung." Da könne es entlastend sein, die Zukunftssorgen auf Papier zu bringen.

Zugleich rät die Therapeutin, sich die eigenen Stärken wie Säulen vorzustellen, die einen tragen. "In einer Krisensituation können wir Stabilität finden, indem wir entweder bestehende Säulen ausbauen oder neue Stützpfeiler aufbauen. In der Therapie lasse ich das PatientInnen aufmalen. Was sind Fertigkeiten, Fähigkeiten, Menschen oder andere Ressourcen, die mir Stabilität geben?"

Dieser Artikel ist erstmals am 25.03.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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