Mitglieder der amerikanischen Schauspielergilde bei einem Streik in New York am 17. Juli 2023
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Mitglieder der amerikanischen Schauspielergilde bei einem Streik in New York am 17. Juli 2023

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Gefährdet KI die Arbeit von Schauspielerinnen und Schauspielern?

Die Traumfabrik liegt lahm. Seit ein paar Tagen streiken in Hollywood auch die Schauspielerinnen und Schauspieler: KI bedrohe ihre Arbeit. Ein realistisches Szenario, meint der Bundesverband Schauspiel. Auch in der EU sei eine Regelung überfällig.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Dass die SciFi-Serie "Black Mirror" prophetischen Charakter hat, das hat die Wochenzeitung "Die Zeit" schon vor Jahren festgestellt. Sogar den Aufstieg von Donald Trump habe sie vorhergesehen, war dort 2016 zu lesen. Ein bisschen gruselig darf einem also schon werden, wenn man sich durch die Folgen der neusten Staffel klickt, und das schon bei der ersten.

In Hollywood wird gestreikt

Darin wird das Leben einer jungen Frau zur Serie, täglich ausgestrahlt bei einem Streamingdienst. Und das, ohne dass sie sich dagegen wehren kann. Ein Supercomputer verwandelt das, was sie erlebt, quasi in Echtzeit in Serienstoff. Mit Salma Hayek in der Hauptrolle, besser gesagt einem digitalen Avatar von ihr. KI macht‘s möglich. Und das, ohne dass sich Salma Hayek dagegen wehren kann. Womit wir an dem Punkt wären, an dem die Dystopie die Wirklichkeit berührt.

In Hollywood tobt ein Arbeitskampf. Die Drehbuchautorinnen und -autoren streiken schon seit einer Weile. Seit ein paar Tagen ist auch die amerikanische Schauspielergilde (SAG-AFTRA) mit an Bord. Über 160.000 Mitglieder hat die Gewerkschaft nach eigener Auskunft. Darunter Stars wie Ben Stiller, Meryl Streep oder Jennifer Lawrence. Die Folge: Die Sets sind verwaist, die roten Teppiche bleiben leer. In ein paar Monaten könnte das auch hier zu spüren sein. Dann nämlich, wenn der Nachschub ausbleibt – im Kino und bei den Streamingportalen. Die US-amerikanische Unterhaltungsindustrie beliefert schließlich die ganze Welt.

Im Audio: Interview mit Filmjournalistin Frances Schoenberger zum Streik der Schauspielerinnen und Schauspieler in den USA

Welche Folgen hat der Streik der Kreativen für Hollywood?
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Kulturzeit: Autoren-Streik in Hollywood

Bedroht KI die Kreativbranche?

Und wieso das alles? Es geht um sinkende Produktionsbudgets und um mangelhafte Entlohnung im Streamingbereich. Einerseits. Darüber hinaus steht aber auch die Befürchtung im Raum, dass man in Zukunft mit Künstlicher Intelligenz um Jobs konkurrieren müsse. Von einer "realen und unmittelbaren Bedrohung" spricht die Gilde und verweist darauf, dass schon heute mittels KI die Performance von Schauspielerinnen und Schauspielern täuschend echt imitiert werden könne. "Black Mirror" lässt grüßen. Gefordert wird deshalb eine Vereinbarung mit den Studios, die deren "ungeregelten Einsatz" verbietet.

Panikmache? Eher nicht. Immerhin bezieht man sich direkt auf einen "Vorschlag" der Studios: Man könne doch Nebendarsteller scannen und so digitale Replikate erschaffen, die dann die Performance in Serien oder Filmen übernehmen würden. Bedeutet: Ein Tageslohn für den Schauspieler, ein universell einsetzbarer Avatar für das Studio. Klar: Das ist nur ein Vorschlag. Aber er zeigt, was heutzutage technisch möglich ist. Und er zeigt, dass Regelung hier Not tut.

Auch der Bundesverband Schauspiel sieht Gefahren

So sieht es auch Hans-Werner Meyer. Der bekannte deutsche Film- und Theaterschauspieler sitzt seit 2006 im Vorstand des Bundesverbands Schauspiel (BFFS), dem deutschen Pendant zur US-amerikanischen Schauspielergilde. Man stehe in "voller Solidarität" zu den Kolleginnen und Kollegen in den USA, versichert Meyer gegenüber dem BR. Die Bedrohung durch KI sei durchaus ein "realistisches Szenario".

Inwieweit die Stimme oder das Gesicht von Schauspielerinnen und Schauspielern in KI-Reproduktionen verwendet werden dürften, sei noch immer eine "rechtliche Grauzone". Von "Enteignung" spricht Meyer in dem Zusammenhang, schließlich "lerne" KI von "urheber- und leistungsschutzrechtlich geschütztem Material", etwa wenn es um die Imitation von Stimmen gehe. "Und das wird nicht vergütet, es wird nicht mal gekennzeichnet, wovon gelernt wird. Aber dadurch wird KI in der Lage sein, bestimmte Kreative überflüssig zu machen."

EU plant Gesetz zur Regulierung von KI

Als Beispiel nennt Meyer den Synchronbereich: "Es gibt jetzt schon eine Software, die potentiell jeden Synchronschauspieler überflüssig machen kann, weil sie jede Stimme nehmen und imitieren kann, auch die der Originalschauspieler." Auch in Europa sei daher Regelungsbedarf gegeben, was den Einsatz solcher Technik angehe, betont Meyer und erinnert an die EU-Urheberrechtsreform aus dem Jahr 2019. Damals wurden kreative Leistungen gegen den Zugriff der Tech-Riesen wie YouTube oder Facebook geschützt. Etwas Vergleichbares sei nun auch mit Blick auf KI geboten.

Dieser Meinung ist man mittlerweile auch im EU-Parlament. Dort arbeitet man bereits an einem Gesetz, das die "erste Regulierung der Künstlichen Intelligenz" verspricht. Bis Jahresende will man sich auf einen konkreten Gesetzesvorschlag einigen. Dann wird sich zeigen, wie weit es her ist mit der prophetischen Kraft von "Black Mirror". Die Kreativbranche dürfte darauf hoffen, dass in diesem Fall die Wirklichkeit der Fiktion Einhalt gebietet.

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